In der Provinz Ocongate, im Distrikt Urcos, befindet sich einer der höchsten Berge dieser Region, der Apu Ausangate. An diesem Ort findet eines der wichtigsten Riten dieser Zeit statt: Die Pilgerfahrt zum Qoyllorrity.
Seit Menschengedenken waren Pilgerfahrten ein wichtiger Teil unserer Kultur. Sie haben mehr oder weniger klare Ziele, in Bezug auf bestimmte Orte, bestimmte “Apus” oder heilige Berge, und werden durchgeführt, um eine Reinigung des Körpers oder der Seele von schweren Energien zu erzielen, jedoch immer in Bezug auf die Erde und auf unsere Wurzeln.
Auf diesen Pilgerreisen wurde ein gesamter Prozess innerer Veränderungen angestoßen, bei dem man bestimmte Aspekte seines Lebens Revue passieren ließ, sich einer Reihe von Faktoren bewusst wurde, die die eigene Entwicklung behinderten und die man nun loslassen konnte. Die genaue Art der Arbeit hing von der Jahreszeit und von dem Ort ab, an den man pilgerte.
Auch heute besteht während der Pilgerfahrt unsere innere Entwicklung aus diesen Etappen, einige davon bestehen gerade darin, hinderliche Aspekte oder Blockaden zu erkennen und außerdem zu klären, ob sie unbewussten oder bewussten Ursprungs sind; oder sie bestehen auch darin, Energien und Kräfte zu erkennen, die uns helfen können, dorthin zu gelangen, wo wir hin wollen. Auf der Pilgerreise können wir eine Synchronizität entdecken von diesen äußeren Räumen, welche wir durchwandern und die seit Urzeiten als heilig gelten, und den inneren Räumen, die allmählich mit dem Äußeren konvergieren, welche als Brücken dienen zwischen dem Kontakt mit der Natur und mit den Energien dieses Ortes sowie mit der inneren Energie, als auch mit den Hindernissen, die diesen Prozess der Brückenbildung erschweren können.
Die Pilgerreise nach Qoyllority kann als Ziel einen der vier wichtigen Punkte haben, tawa pukuna, den Apu Ausangate, Apu Sinakara oder den Herrn von Qoyllorti selbst.
Apu Ausangate
Der Qoylloriti ist der Ort, an dem ein energetisch sehr kraftvolles Naturphänomen auftritt, welches als weiße Reinigung beschrieben wird. Denn zu einem bestimmten Zeitpunkt auf dem Qoylloriti, befindet sich die Erde aufgrund der Drehung um die Erdachse in einer ganz bestimmten Position zur Sonne. In genau diesem Moment kommt eine Energie von der Sonne auf die Erde und energetisiert das Wasser bzw. den Riti, den Schnee auf diesem Berg. Diese Energie kommt aus dem Weltall, vom Sternenstaub, so erzählen es unsere Ahnen. Der Sternenstaub ist die Energie, die uns neues Leben, neues Licht schenken wird.
Deshalb tragen die Ukukus (Bärenmänner) seit je her den Schnee von den Bergen und sammeln diesen „Sternenstaub“, diese belebende Lichtenergie. Dieser Schnee wird zur energetischen Reinigung von Wohnräumen aber auch von unseren Körpern genutzt.
Auf der anderen Seite ist das Wort „Qoyllor“, Stern, ein Begriff, mit dem unsere Vorfahren das bezeichneten, was das Schicksal ist, der Stern derjenigen Ziele, die man im Leben erreichen will. Die Pilgerreisen wurden deshalb stets so geplant, dass die Sterne günstig standen, um genau diese „kosmischen Energien“ sich nutzbar machen zu können. So wurden sowohl die energetische Reinigung als auch die innere „Erleuchtung“ begünstigt.
Pilgerreise zum „Señor de Qoylloriti“
Die Pilgerreise zum Qoylloriti findet traditionell bei Vollmond vor der Wintersonnenwende statt. Dies ist etwa Ende Mai/ Anfang Juni.
„Das Chaos entsteht aus dem Vergessen heraus, genauso wie aus Krankheit, aus Mangel an Klarheit in der Gegenwart und aus Mangel an Klarheit in der Zukunft.“
Das angestrebte Weltbild aber ist: Ordnung; es ist die Wiederherstellung der Erinnerung, es ist die Wiederherstellung der Klarheit in Gegenwart und Zukunft. Die Pilgerreise zum Señor de Qoylloriti ist eine Reise mit dem Fokus auf die Zukunft, auf die Morgenröte, hin. Wer „seinen“ Stern findet, findet seine Bestimmung.
Auf den Pilgerreisen wurde eine strenge Fastendiät eingehalten, die aus typischen Pflanzen der Region (Medizinpflanzen wie Koka, Mais, Quinoa, Cañihua, Kiwicha usw.) bestand.
Hier, inmitten verschneiter Gipfel, inmitten des Himmels, der Sterne, der Musik, der Tänze und Farben, befindet sich das „Huaca des Qoyllorrity“, ein Heiligtum unserer Ahnen, das über Generationen hinweg bewahrt wurde.